Lorenzo Valla und Nicolaus Cusanus
Paul Richard Blum
[Vortrag auf dem Kongreß Die römischen Jahre des Nikolaus von Kues
Jubiläumssymposion des Wissenschaftlichen Beirats der Cusanus-Gesellschaft in Kooperation mit dem Päpstlichen Institut Santa Maria dell‘Anima aus Anlass des 550. Todestages von Nikolaus von Kues in Rom
Mittwoch, 22. bis Sonntag, 26. Oktober 2014
Pontificio Istituto Teutonico di S. Maria dell’Anima, Via della Pace, 20 · I-00186 Roma]
Auf einer Tagung, die den ‘römischen Jahren’ im Wirken des Nikolaus von Kues gewidmet ist, kann man mit Fug und Recht einen Vergleich mit Lorenzo Valla (1407-1457) erwarten, der nicht nur ein Zeitgenosse war, sondern auch die letzten Jahre am Päpstlichen Hof verbracht hat, und zwar wahrscheinlich dank einer Intervention des Kusaners, vor allem aber, der mit Cusanus ein scharfsinniges Interesse an der Reform der Kirche und des Denkens sowie der Sprache teilte. Diese drei Themen, Kirche, Sprache und spekulatives Denken sollen dann auch die Themen meines Vortrags sein.
Die Kritik der Konstantinischen Schenkung.
Zum Thema Kirche beschränke ich mit auf die Kritik der Konstantinischen Schenkung.
Vallas Nachweis, daß die sogenannte Konstantinische Schenkung, auf der die weltliche Herrschaft des Papsttums beruhte, eine Fälschung ist, kann man im Rahmen seines philologischen Denkens sehen; da sie aber auch die Interessen des Königs von Neapel förderte, betonte Valla, daß er nicht gegen den Papst sondern um der Wahrheit und der Religion willen das schriftlich festgestellt habe, was bisher niemand als er allein gewußt habe; zugleich schämt er sich nicht zu sagen, er schreibe um des Ruhmes willen. Mit dieser Bemerkung zeigt Valla sich stolz als der Typ des Humanisten, in der Nachfolge Petrarcas, der das Individuum vor allem dann schätzt, wenn dieses die eigene Person ist. Sodann erläutert Valla, die Wahrheit zu verteidigen hat mindestens denselben Rang wie der Kampf für das Vaterland, geht es doch darum, das Himmlische Vaterland zu erwerben. In diesem Falle geht es um die Aufdeckung der Fälschung und deshalb auch um den Schutz der Kirche, die durch den Besitz des Kirchenstaates Schaden genommen hat.
Da Valla in dieser kirchenpolitischen Frage wie auch sonst eine sowohl theologische als auch eine personale Argumentation verfolgt, könnte man seine Schrift für rein polemisch halten. Aber eine Interpretation, die das Polemische mit dem Sachlichen verknüpft, kann die Sache auch in der Polemik, und nicht neben ihr erkennen. Vallas Argumente betreffen die Unmöglichkeit, daß Kaiser Konstantin sich des Kirchenstaats hätte entäußern wollen, und daß Papst Sylvester ein solches Geschenk (wenn es denn eines war) hätte annehmen können – der eine aus Staats- der andere aus Kirchenräson –, sodann folgen die philologischen und sprachhistorischen Fehler des Textes. Paradoxer Weise führen die beiden Unmöglichkeiten – die machtpolitische und die spirituelle – dazu, daß die Reichspolitik Konstantins gegen die spirituelle Aufgabe des Papstes ausgespielt wird, und somit trennt er Politik und Spiritualität, um letztere für seine Kirche und die Macht für seinen politischen Herrscher zu retten. Erkennbar ist das ex negativo an einer Replik des Augustinus Steuchus, der rund hundert Jahre später betont, staatliches Dekret und religiöses Bekenntnis seien in der Konstantinischen Schenkung ein und dieselbe Sache. Auf längere Sicht ist das wohl kein Nebenprodukt sondern vielleicht Teil einer geistlichen Agenda Vallas, denn in seiner Schrift über die Willensfreiheit vertritt der Humanist ebenfalls eine scharfe Trennung zwischen theologischer Argumentation und praktischem Leben: Das Göttliche steht nicht zur Verfügung, und deshalb muß das Handeln von Gottvertrauen getragen sein, ohne durch eigenes Handeln auch nur die Gewißheit der Freiheit zu haben, geschweige denn die der Gnade Gottes. Daß dies präreformatorische Töne sind, ist offenkundig. Und insofern liegt Vallas Rede gegen die Konstantinische Schenkung auf einer Linie mit der Rom-Kritik Luthers.
Vorgetragen ist Vallas Argumentation als Rede an die Öffentlichkeit, nicht als Traktat für Spezialisten. Kirchenpolitik und Frömmigkeit sind für den Humanisten eine Sache der Persönlichkeit und der Gesellschaft zugleich. Valla verstärkt damit den humanistischen anthropozentrischen Blick auf Sachfragen in Richtung auf eine Betonung des Individuums als letzte Instanz zur Bewertung von Grundsatzfragen: was man selbst weiß, ist mitteilenswert und muß - wenn es der Wahrheit entspricht - langfristig allen zugute kommen.
Vergleichen wir damit die Kritik an der Konstantinischen Schenkung in Cusanus’ Concordantia Catholica (III 2). Cusanus argumentiert als Jurist. Was Cusanus sofort mit Valla vergleichbar macht, ist die genaue Quellenforschung, wie das in der humanistischen Rechtswissenschaft zum Handwerk gehört, denn er postuliert erstens historischen Vergleich, zweitens Kritik gegenüber Zuschreibungen und drittens die Berücksichtigung des Geistes einer Zeit. Er vergleicht erstens Dokumente, Dekrete und historische Zusammenhänge, und das besagt für ihn, daß schon der faktische Zweifel an der Echtheit eben die Schenkung infragestellt. Wir können das als vorangezogene Skepsis gegenüber dem Historismus verstehen: Wahr ist nicht alles, was behauptet wird; aber alle Fakten erhalten ihren Wahrheitswert nur dadurch, daß sie erzählt werden. Klugheit empfiehlt daher zweitens , sich nur auf sichere und anerkannte Schriften zu verlassen, denen ein Maß an Richtigkeit unterstellt werden kann. Drittens bezeichnet er, obwohl es sich um eine juristische Frage handelt, diese Frage der Glaubwürdigkeit mit dem humanistischen Wort "elegantius". "Eleganz" bedeutet für die Humanisten die Angemessenheit von Rede und Sachverhalt, die in ihrer Stimmigkeit überzeugt. Stimmigkeit wiederum ist immer auch eine Frage des Publikums und der kulturellen Situation. Und der große Lehrer dieses Themas war der Zeitgenosse Lorenzo Valla, der der "Elegantia" ein ganzes Buch gewidmet hat, etwa zu der Zeit, als Cusanus in Basel war. Ob Cusanus das Verständnis von Eleganz aus Valla bezog, weiß ich nicht. Tatsache ist, daß auch in späteren Jahren Cusanus philologische und historische Argumente verwendete, als er für das Bistum Brixen die Besitzverhältnisse sichten und sichern mußte. Er tat das durch methodische, wissenschaftliche Archivarbeit, bei der es ihm wiederum gelang, eine Fälschung zu entlarven.
Für eine mögliche Vergleichung des Cusanus mit Valla kommt es gewiß darauf an, ob denn der Kirchenmann mit dem Kirchenkritiker auch in der Sprachkompetenz vergleichbar war. Es muß sofort festgestellt werden, daß Cusanus sein Latein nicht an klassischen Vorbildern orientierte, wie Valla das propagierte. Aber er ist sich dessen sehr bewußt und verbalisiert es. Ausgerechnet im Vorwort zur Concordantia catholica bringt Cusanus seine Entschuldigung vor, klassischen Stil zugunsten der Sache aufzugeben: Aber wir sollten das nicht negativ sondern als Verstärkung lesen, denn es ist selbst ein klassischer Topos, der später von Giovanni Pico und anderen verwendet wird: die Sache verlangt eine grobe, eine fachliche, eine schmucklose Sprache. Es ist ein Topos, der Bewußtsein vom Sprachstil voraussetzt. Und um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, daß er den Humanismus sehr wohl kennt, preist der Deutsche die Italiener für ihre Bemühungen um guten Stil und das Studium der Klassiker und entschuldigt die Deutschen dafür, daß sie nur mit Mühe anständiges Latein reden (und das ist möglicherweise ein Echo einer boshaften Bemerkung des Humanisten Poggio Bracciolini). Aber sofort reklamiert er einen viel gewichtigeren humanistischen Anspruch, nämlich sich nicht auf irgendwelche Redaktionen und Zusammenfassungen zu verlassen, sondern die Originale und nichts als die Originaldokumente sprechen zu lassen.
Reden wir also noch mehr über Sprache
Lorenzo Valla analysiert bekanntlich menschliches Sprechen im Hinblick auf mögliche metaphysische Implikationen. In dem, was wir heute das semantische Dreieck nennen (Wort, Bedeutung, Sachverhalt), nennt er die Bezeichnung eine Qualität, wobei die Wörter als Zeichen für die Sache stehen. Während das Ohr den Klang hört, nimmt die Seele die Bedeutung auf, indem beide Wörter wahrnehmen. Daraus folgt überraschenderweise, daß so wie Holz "Holz" heißt, so haben unkörperliche Dinge auch Namen, also Wissenschaft heißt "Wissenschaft", und ganz allgemein ein Ding heißt "Ding". Wenn aber 'Ding' nichts als Ding bezeichnet, dann ist das "Ding" die Vokabel für das Wort, das alle Dinge als Dinge bezeichnet: "res est vox sive vocabulum, omnium vocabulorum sginificationes suas complectens." Genauer, 'Ding' ist das Wort für die Leistung von Wörtern, Sachen zu bezeichnen. Insofern übersteigt 'Ding' noch die Signifikationsleistung des Wortes 'Zeichen'. Wenn dieses Wort aber alle Dinge bezeichnet, dann auch Gott als ein Ding unter vielen anderen. In scholastischer Terminologie: res ist das einzige Transzendentale. Hier macht Valla einen Unterschied zwischen der Funktionsweise und dem Gehalt: Wörter wie spiritus, substantia, essentia – und erst recht res – übersteigen nämlich das Wort Deus, insofern sie ein weiteres Bedeutungsspektrum haben. In Gott haben wir also den Sonderfall, daß das Wort ein einzelnes Ding bezeichnet, das inhaltlich alle Dinge transzendiert. Grundsätzlich gilt, daß Wörter Dinge bezeichnen können, die wiederum an und für sich universal sind. "Gott" ist dann das Wort, das ein Universales bezeichnet nicht aufgrund einer semantischen Hierarchie, sondern weil es das Ding ist, das alle anderen Dinge transzendiert. Gott ist damit nicht transzendental sondern wirklich transzendent. Die Universalität von 'Ding' liegt also in seiner Bezeichnungsfunktion, während die semantische Kraft der menschlichen Sprache auch auf Dinge verweisen kann, die an sich universal sind. Daraus folgt die Mahnung zur Vorsicht, semantische Universalität nicht mit inhaltlicher Universalität zu verwechseln. 'Gott' ist einerseits kein Abstraktes, andererseits verweist das Wort nicht auf Dinge, sondern auf Gott. Darauf kommt es nämlich Valla an, die terminologischen Irrtümer des scholastischen Aristotelismus rückgängig zu machen und die Leser zum wahren Theologisieren zu bringen. Was den Gottesbegriff im Einzelnen angeht, so argumentiert er, daß Sätze wie "Gott ist ein vollkommenes ewiges Lebewesen (zoon)," unsinnig sind, weil Lebewesen als körperlich definiert sind.
Es ist unübersehbar, daß Vallas Sprachkritik in eine kritische philosophische Theologie überführt, und das hat er mit Cusanus gemeinsam. Aertsen (561) verweist auf eine Notiz zu Plotin: unum perfectivum et salvativum; das wirklich transzendentale ist Vervollkommnung und Heil von allem. Wahrscheinlich ist es am plausibelsten, die Vergleichbarkeit an Cusanus’ Bezeichnungstheorie im Compendium zu zeigen. Auf den ersten Eindruck hin könnte man meinen, Cusanus’ Theorie sei eine gewöhnliche Abstraktionslehre, etwa wenn er sagt, es müßten „die Dinge, die durch sich selbst nicht in die Erkenntnis eines anderen eingehen können, in diese durch ihre Bezeichnungen eingehen.“ (IV 8) In demselben Sinne könnte man, wenn man wollte, auch die These verstehen, daß die „natürlichen Zeichen (...) die Erkenntnisbilder (species) der bezeichneten Einzeldinge“ sind (V 14). Tatsächlich aber ist es klar, wie auch in anderen Texten des Cusanus, daß er die aristotelisch-scholastischen Erwartungen terminologisch bedient und dann durchbricht. Das wird z.B. im Kapitel IV, n. 10, klar wo es heißt, daß „nur der Mensch nach dem Zeichen sucht, das von jeder materiellen Konnotation losgelöst und rein formal ist und die reine Form des Dings, die ihm das Sein gibt, repräsentiert.“ Wenn Cusanus dann noch hinzufügt, daß ein Zeichen in dieser Verwendungsweise in dem Maße von den Sinnesobjekten entfernt ist, in dem es den Intellektdingen am allernächsten ist (ebd.), dann gibt er zu erkennen, daß er in neuplatonischen Kategorien der Emanation und der Hierarchie denkt oder wiederum diese Art von Erwartungen bedient.
Aber wir können die Zeichentheorie, statt auf neuplatonisches Emanationsdenken, auch auf Vallas Semiotik beziehen. Denn diese Formel, daß es Zeichen geben soll, die an sich immateriell sind und daher in der Lage sind, das zu vertreten, das dem seienden das Sein gibt, diese Formel würde Valla für das Wort Gott haben gelten lassen: es ist immateriell, nicht weil es aristotelisch ‚allgemein’ ist, sondern weil der Begriff für das Seingeben schlechthin ist.
Wiederum aristotelisch beschreibt Cusanus das quantitative Verstehen von Sinnesdingen: Es ist das Zeichen ‚Quantität’, welches ein quantitativ bestimmtes Objekt quantitativ erkennbar macht und zwar so, daß das Objekt in seiner Quantität nicht erkennbar wäre, wenn es den Begriff der Quantität nicht gäbe; dann aber wird nicht das Objekt selbst erkannt, sondern seine quantitative Bestimmung leuchtet nur mittels des Quantitäts-Zeichens ein. Also erkennt man und erkennt nicht. Hier ist Aristoteles wieder hilfreich: Die sinnliche Erkenntnis eines quantitativen Sinnesdings ist eine Erkenntnis per accidens.
Mit Blick auf Valla sehen wir schon, daß auch Cusanus sich dafür einsetzt, der sprachlichen Verfaßtheit der Erkenntnis keinen naiven und automatischen ontologischen Status zuzuweisen. Das wird radikal klar, wenn er sagt, daß Maulwürfe kein Sehvermögen brauchen, und sie als Beispiel dafür nimmt, daß „alle Lebewesen genau so viele species aus den Sinnesobjekten ableiten, wie sie zur Selbsterhaltung benötigen.“ (VI 16) In diesem Sinne gelangt Cusanus zu einer rein sprachtheoretischen Epistemologie: „Es ist das sinnliche Wort, das sich selbst und alles Sinnliche herstellt.“ (VII 19) Von dort treibt Cusanus das Argument weiter und behauptet, daß es der Geist ist, der das Wort formt, und zwar um sich selbst manifest zu machen, und in diesem Sinne stellt sich das Wort nicht nur als Repräsentanten des Dinges dar sondern auch als Zeichen für den Geist. (VII 20) Hierauf folgt dann der berühmte Kartographen-Vergleich. Diesen brauchen wir an dieser Stelle nicht (0der noch nicht) zu interpretieren, denn was klar wird ist, daß Cusanus mit Valla die sprachliche Verfaßtheit der Wirklichkeit hervorhebt, was enorme Folgen für die Metaphysik und die Auffassung von Realität hat. In demselben semiotischen Sinne koennen wir dann auch die Bestimmung des aliud in De non aliud lesen: aliud verweist auf ein aliquid, das eines philosophisch-theologischen non-aliud als nicht-semiotische Transzendenz bedarf.
Sehen wir uns zum Vergleich Vallas Bezeichnungstheorie an. Die Unterscheidung Substanz/Akzidens schafft er de facto ab, indem er behauptet, daß die Kategorien nicht wirklich kontingent sind, da ja, in seinem Beispiel, Wärme nicht vom Feuer abwesend sein kann und somit zum „Wesen“ des Feuers gehört (Retractatio I 13, p. 112f.). Bekanntlich reduziert Valla daher die Kategorien auf Qualität und Aktion. Dementsprechend reduziert sich auch das Zeichengeben auf Konvention, indem „die Menschen, wenn sie etwas erkennen die Laute anpaßten und in diesem Sinne ‚Zeichen’ nannten.“ Schriftzeichen sind in diesem Sinne „Zeichen von Zeichen“ (I 13, p. 123) Hieraus folgt die bereits erwähnte Diskussion um die res. Das Sein und das Bezeichnen einer Sache ist dasselbe. Oder: Ontologie ist ein Überziehen der sprachlichen Bezeichnung.
In diesem Lichte können wir nun auch den bekannten Vergleich mit dem Löffelschnitzer in Idiota de mente lesen – vielleicht nicht korrekt, aber im Sinne der Vergleichbarkeit. Valla hatte ja versucht, uns die Verwunderung zu nehmen, daß, z.B., Holz ‚Holz’ heißt. Er hatte betont, daß es sich um eine menschliche, arbiträre Zuschreibung handelt (ex institutione). Zunächst scheint der Idiota die aristotelische Formenlehre anzuwenden: das Artefakt existiert als Form zunächst im Sinn des Herstellers; also der Löffel kommt zustande, indem die Form des Löffels auf des Holz übertragen wird. Aber, da wir bei Cusanus immer ganz genau lesen dürfen, können wir den Satz: „Coclear extra mentis nostrae ideam aliud non habet exemplar“ – anstatt ihn aristotelisch abzunicken, wie eben angedeutet – auch so lesen: das einzige Paradigma des Löffels ist die Idee im Geiste des Schnitzers, denn eine andere Idee außerhalb davon gibt es nicht. Das ist eine starke Behauptung, die nach Transzendentalphilosophie klingt. Zudem behauptet der Idiota weiterhin, daß die „Löffelheit“ in dem Holzlöffel wie in einem Abbild aufstrahlt. Das kann man so verstehen, daß die sichtbare Wirklichkeit nichts anderes ist als die Visualisierung des Gedankens, und der erfaßt sie nicht sondern stellt sie her. Während Cusanus betont, daß in der Tat der Name willkürlich (ad beneplacitum) gegeben wird, stellt er zugleich fest, daß dann aber Form und Name vereint sind und nicht etwa zweierlei wären. Die traditionelle Lehre, wonach nichts im Verstand ist, das nicht zuvor in den Sinnen war, wird zwar zitiert, aber gegen den Strich der Empiristen: Es ist der Verstand, eine Bewegung des Verstandes, wodurch die Dinge geordnet und unterschieden werden. Und wenn wir gerade beim transzendentalen Idealismus angekommen zu sein glauben, fügt der Idiota hinzu: Da – wie eingangs betont – die Idee der Sache nicht außerhalb des Verstandes zu finden ist, verfällt der Mensch aufs Ausdenken von Vermutungen und Meinungen.
Das ist ganz parallel zu Vallas Kritik der Transzendentalien: Insofern 'Ding' die universellste Bezeichnungsleistung erbringt, ist es auch das einzige Transzendentale, und es ist geeignet das Seiende zu entthronen. Denn ens sagt nichts anderes als: "ea res quae est". Sein grammatisches Argument ist, daß im Griechischen das Wort "on" ein deklinierbares Partizip ist, dem Aristoteles unsachgemäß den Artikel "to" vorangestellt hat, so daß es wie ein Nomen aussieht. Die Bedeutung der Sache "Seiend" erhellt nur aus dem Verb. Mit anderen Worten, in der peripatetischen Philosophie ist das Wort "Seiend" hypostasiert worden: "Das hat Aristoteles noch dadurch verschlimmert, daß er 'to on ê on', 'ens prout ens' sagte, als ob das was ist nicht sein könnte. Das zweite ens ist nämlich ein Partizip." Daraus folgt, daß das Bezeichnen eine Leistung des Aufzeigens ist, aber nicht des Zeigen eines ontologischen Sachverhaltes sondern nur der Bezeichnungsleistung, und die liegt in der Sprache der Sprechenden.
Aus Vallas Sprachkritik folgt eine Kritik der Metaphysik und der philosophischen Theologie, die wir mit Cusanus vergleichen können. Vallas Unterscheidung zwischen der Allgemeinheit der Bezeichnung und der Universalität der Sache führt ihn dazu, die Arbor Porphyriana abzulehnen, weil die Verallgemeinerung von Begriffen keine Steigerung der Allgemeinheit der Sache abgebildet, was sich für ihn in der Unsinnigkeit von Termini wie species specialissima und genus generalissimum zeigt: Genus und Spezies sind prinzipielle Bezeichnungen oder Argumentations-Topoi, aber keine steigerungsfähigen Sachverhalte, was sich schon mittels analoger Begriffsbildungen als abwegig zeigen läßt wie forma formalis oder corpus corporale: "Was in der Grundform unsinnig ist, wird im Superlativ völlig absurd." Daher fordert er, daß die erste Unterscheidung nicht negativ sein darf (corpus / non-corpus) sondern positiv sein muß: nämlich corpus vs. spiritus sive anima. An der Spitze des Baums stehen dementsprechend weder Substanz noch Seiendes sondern res, das Ding, das wie gesagt das einzige Transzendentale ist, aufgrund seiner Allgemeinheit. Daraus folgt dann, daß das geistige ‚Ding’ in creans und creatum unterschieden werden kann. Weder Gott noch die Schöpfung sind negativ definiert, wie das die meisten philosophischen Theologien tun würden. Denn Gott ist nicht nur apophatisch als der Nicht-Träger aller virtuellen Attribute verstanden, wie das in der negativen Theologie gelehrt wird, noch ist die Welt der Abfall von Gott, das ungöttliche Zeug, von dem man sich wundern muß, daß der Allmächtige davon weiß und sich damit befaßt, wie es dem neuplatonischen Denkmuster entspricht. Vielmehr ist Gott der Referent der Bezeichnungsleistung ‚geisthaft’, und dieser Referent kann wiederum nach seiner Leistung als aktiv oder auch passiv denotiert werden. Damit ist keine theologische Festlegung erbracht, sondern nur aufgezeigt, wie die Sprache des Menschen redet.
Grundvoraussetzung dieser Behauptungen ist die Annahme, daß species und genus semantisch sich wie Teil und Ganzes verhalten. Die ‚unteren’ Zweige des Baums bezeichnen daher nicht species sondern Teile von res. Das führt zu folgender überraschenden Konsequenz: Der Mensch, als beseelter Körper ist nicht etwa eine species, sondern ein Bastard aus Körper und Geist. Die Alternative wär, daß Geist oder Seele keine Substanz ist, sondern nur eine Funktion des Körpers, so daß getrost auch gesagt werden kann, daß Bäume und Pflanzen Seelen haben. Das ist, wie Valla feststellt und wir im Blick auf die gegenwärtige sogenannte Philosophie des Geistes bestätigen können, immer wieder versucht worden. Aber wenn wir daran festhalten wollen, daß sowohl die Seele eine Substanz ist und daß der Mensch aus beiden besteht, dann ist der Mensch eine Anomalie. Und das ist gut so. Es ist wie eine Mischung aus schwarzen und weißen Schafen. Den Menschen als semiotische Anomalie zu verstehen, hat eine weitere Konsequenz: Wenn etwas, das wahr ist als semiotisch undeutlich und insofern positiv bezeichnet werden kann, dann gilt das a fortiori auch für Christus, der wiederum nicht in das Distributionsschema Mensch/Gott paßt: „Itaque id per se distribuemus in humanum et non humanum. Christum excipio ab animali, qui non est homo tantum, sed etiam Deus est.“
Es sei noch einmal betont, daß es Valla nicht um eine Ontologie, nicht einmal um eine sprachtheoretisch untermauerte Metaphysik geht, sondern darum zu zeigen, daß es die Sprache ist, die Seinshierarchien aufbaut und kraft dieser Leistung auch erschüttert. Mit Valla wissen wir nichts über die Doppelnatur des Menschen und schon gar nichts über die Inkarnation. Aber wir wissen, daß wir sprachlich Ontologien aufbauen, die sich der außersprachlichen Kontrolle, und das heißt überhaupt der Verifikation entziehen. Und hierin geht er mit Cusanus konform. Hätten Vallas und Cusanus’ Lehrer die Arbor Porphyrii als bloßes semiotisches Spiel gelehrt, so wie Sokrates im Sophistes die Dichotomien einführt, um sich darüber lustig zu machen (d.h. die Dichotomien die beim Schema von Genus und Differenz im Hintergrund stehen, und die dann im 16. Jahrhundert Petrus Ramus wieder einführt) – also hätten die mittelalterlichen Rezipienten des Porphyrius den Baum nicht für Erkenntnis sondern für ein Instrument gehalten, hätten Valla und Cusanus damit kein Problem gehabt. Da der Baum aber immer als die objektive Partition des Seienden und als ontologische Hierarchie von oben nach unten verstanden wurde, mußten beide zeigen, worin die Erkenntnisleistung von genus und species wirklich liegt.
In Kapitel III von De coniecturis II befaßt Cusanus sich mit dem Problem der Differenz im Gedankenbereich dessen, was die Arbor Porphyriana abgesteckt hatte. Anstatt davon zu sprechen, was denn ein genus und was eine species sei, legt der Autor den Akzent auf die Differenz als Differenz. Das Allgemeine, also das, was im je höheren genus erfaßt würde, taucht hier als concordantia auf, und die höheren Zweige auf dem Baum sind jetzt die major concordantia des einen sinnlichen Objekts mit einem anderen. Die scholastische species specialissima, als das, was einmal das Individuum war, verwandelt sich dadurch in „allerspezifischste Differenz“, nämlich in äußerste Unterschiedenheit des einen vom anderen. Das wär scholastisch durchaus akzeptabel als Eigenheit des Individuums am Fuße des Baumes. Dementsprechend wird das genus generalissimum zur „allgemeinsten Konkordanz“ der Dinge.
Omne igitur sensibile cum omni sensibili quandam habet universalissimam concordantiam et specialissimam differentiam.
Denn traditionell kann ja alles und jedes unter das genus subsumiert werden. In diesem Sinne ist alles geeint und vereint. Allerdings nicht unter einem Baum mit metaphysischer Spitze und sinnlichen Wurzeln, sondern im Begriffsschema von Konkordanz und Differenz. Die Individualität des Einzelnen ist in diesem Schema die „allerspezifischste Einsheit“ (unio specialissima). Das klingt irgendwie philosophisch vertraut, zumal die Universalität von allem als die Einheit bezeichnet wird, die in einer „universalen Natur besteht, die allen gemeinsam ist“. Trotzdem sollten wir ontologisch recht frustriert sein, denn so heißt es weiter: „alles sinnlich wahrnehmbare, d.h. dieses etwas, das einzeln existiert, insofern es mit allem und jedem übereinstimmt, ist von allem und nichts verschieden.“ Hier wie überall bedient Cusanus traditionelle Terminologie, um ihre metaphysischen Ansprüche auszuhebeln. Denn was aus der Konkordanz und Differenz von allem und jedem herauskommt, ist, daß weder das Einzelne noch das Allgemeine wirklich und genau erkannt wird. Es wird irgendwie semantisch abgeschätzt. Und das ist dann dasselbe Ergebnis, das Valla erreichte, als er nicht das Seiende sondern das Ding zum Transzendentale erklärte. Universaler Gegenstand der Erkenntnis ist der mehr oder weniger allgemeine Bezugspunkt des Bezeichnens.
Im Hintergrund steht die grundsätzliche Lehre, die beide Philosophen gemeinsam haben, daß das wirklich Transzendente, also das, was die ontologische Absicherung aller Transzendentalien wäre beziehungsweise leisten würde, dem menschlichen Denken nicht zur Verfügung steht. Gott ist der, der allen Dingen das Sein gibt, aber sobald der Mensch versucht davon zu sprechen, macht er Gott zu einem Ding. Verdinglichung ist dann das beste, was der menschliche Geist dank der Sprache leisten kann.
Paul Richard Blum
[Vortrag auf dem Kongreß Die römischen Jahre des Nikolaus von Kues
Jubiläumssymposion des Wissenschaftlichen Beirats der Cusanus-Gesellschaft in Kooperation mit dem Päpstlichen Institut Santa Maria dell‘Anima aus Anlass des 550. Todestages von Nikolaus von Kues in Rom
Mittwoch, 22. bis Sonntag, 26. Oktober 2014
Pontificio Istituto Teutonico di S. Maria dell’Anima, Via della Pace, 20 · I-00186 Roma]
Auf einer Tagung, die den ‘römischen Jahren’ im Wirken des Nikolaus von Kues gewidmet ist, kann man mit Fug und Recht einen Vergleich mit Lorenzo Valla (1407-1457) erwarten, der nicht nur ein Zeitgenosse war, sondern auch die letzten Jahre am Päpstlichen Hof verbracht hat, und zwar wahrscheinlich dank einer Intervention des Kusaners, vor allem aber, der mit Cusanus ein scharfsinniges Interesse an der Reform der Kirche und des Denkens sowie der Sprache teilte. Diese drei Themen, Kirche, Sprache und spekulatives Denken sollen dann auch die Themen meines Vortrags sein.
Die Kritik der Konstantinischen Schenkung.
Zum Thema Kirche beschränke ich mit auf die Kritik der Konstantinischen Schenkung.
Vallas Nachweis, daß die sogenannte Konstantinische Schenkung, auf der die weltliche Herrschaft des Papsttums beruhte, eine Fälschung ist, kann man im Rahmen seines philologischen Denkens sehen; da sie aber auch die Interessen des Königs von Neapel förderte, betonte Valla, daß er nicht gegen den Papst sondern um der Wahrheit und der Religion willen das schriftlich festgestellt habe, was bisher niemand als er allein gewußt habe; zugleich schämt er sich nicht zu sagen, er schreibe um des Ruhmes willen. Mit dieser Bemerkung zeigt Valla sich stolz als der Typ des Humanisten, in der Nachfolge Petrarcas, der das Individuum vor allem dann schätzt, wenn dieses die eigene Person ist. Sodann erläutert Valla, die Wahrheit zu verteidigen hat mindestens denselben Rang wie der Kampf für das Vaterland, geht es doch darum, das Himmlische Vaterland zu erwerben. In diesem Falle geht es um die Aufdeckung der Fälschung und deshalb auch um den Schutz der Kirche, die durch den Besitz des Kirchenstaates Schaden genommen hat.
Da Valla in dieser kirchenpolitischen Frage wie auch sonst eine sowohl theologische als auch eine personale Argumentation verfolgt, könnte man seine Schrift für rein polemisch halten. Aber eine Interpretation, die das Polemische mit dem Sachlichen verknüpft, kann die Sache auch in der Polemik, und nicht neben ihr erkennen. Vallas Argumente betreffen die Unmöglichkeit, daß Kaiser Konstantin sich des Kirchenstaats hätte entäußern wollen, und daß Papst Sylvester ein solches Geschenk (wenn es denn eines war) hätte annehmen können – der eine aus Staats- der andere aus Kirchenräson –, sodann folgen die philologischen und sprachhistorischen Fehler des Textes. Paradoxer Weise führen die beiden Unmöglichkeiten – die machtpolitische und die spirituelle – dazu, daß die Reichspolitik Konstantins gegen die spirituelle Aufgabe des Papstes ausgespielt wird, und somit trennt er Politik und Spiritualität, um letztere für seine Kirche und die Macht für seinen politischen Herrscher zu retten. Erkennbar ist das ex negativo an einer Replik des Augustinus Steuchus, der rund hundert Jahre später betont, staatliches Dekret und religiöses Bekenntnis seien in der Konstantinischen Schenkung ein und dieselbe Sache. Auf längere Sicht ist das wohl kein Nebenprodukt sondern vielleicht Teil einer geistlichen Agenda Vallas, denn in seiner Schrift über die Willensfreiheit vertritt der Humanist ebenfalls eine scharfe Trennung zwischen theologischer Argumentation und praktischem Leben: Das Göttliche steht nicht zur Verfügung, und deshalb muß das Handeln von Gottvertrauen getragen sein, ohne durch eigenes Handeln auch nur die Gewißheit der Freiheit zu haben, geschweige denn die der Gnade Gottes. Daß dies präreformatorische Töne sind, ist offenkundig. Und insofern liegt Vallas Rede gegen die Konstantinische Schenkung auf einer Linie mit der Rom-Kritik Luthers.
Vorgetragen ist Vallas Argumentation als Rede an die Öffentlichkeit, nicht als Traktat für Spezialisten. Kirchenpolitik und Frömmigkeit sind für den Humanisten eine Sache der Persönlichkeit und der Gesellschaft zugleich. Valla verstärkt damit den humanistischen anthropozentrischen Blick auf Sachfragen in Richtung auf eine Betonung des Individuums als letzte Instanz zur Bewertung von Grundsatzfragen: was man selbst weiß, ist mitteilenswert und muß - wenn es der Wahrheit entspricht - langfristig allen zugute kommen.
Vergleichen wir damit die Kritik an der Konstantinischen Schenkung in Cusanus’ Concordantia Catholica (III 2). Cusanus argumentiert als Jurist. Was Cusanus sofort mit Valla vergleichbar macht, ist die genaue Quellenforschung, wie das in der humanistischen Rechtswissenschaft zum Handwerk gehört, denn er postuliert erstens historischen Vergleich, zweitens Kritik gegenüber Zuschreibungen und drittens die Berücksichtigung des Geistes einer Zeit. Er vergleicht erstens Dokumente, Dekrete und historische Zusammenhänge, und das besagt für ihn, daß schon der faktische Zweifel an der Echtheit eben die Schenkung infragestellt. Wir können das als vorangezogene Skepsis gegenüber dem Historismus verstehen: Wahr ist nicht alles, was behauptet wird; aber alle Fakten erhalten ihren Wahrheitswert nur dadurch, daß sie erzählt werden. Klugheit empfiehlt daher zweitens , sich nur auf sichere und anerkannte Schriften zu verlassen, denen ein Maß an Richtigkeit unterstellt werden kann. Drittens bezeichnet er, obwohl es sich um eine juristische Frage handelt, diese Frage der Glaubwürdigkeit mit dem humanistischen Wort "elegantius". "Eleganz" bedeutet für die Humanisten die Angemessenheit von Rede und Sachverhalt, die in ihrer Stimmigkeit überzeugt. Stimmigkeit wiederum ist immer auch eine Frage des Publikums und der kulturellen Situation. Und der große Lehrer dieses Themas war der Zeitgenosse Lorenzo Valla, der der "Elegantia" ein ganzes Buch gewidmet hat, etwa zu der Zeit, als Cusanus in Basel war. Ob Cusanus das Verständnis von Eleganz aus Valla bezog, weiß ich nicht. Tatsache ist, daß auch in späteren Jahren Cusanus philologische und historische Argumente verwendete, als er für das Bistum Brixen die Besitzverhältnisse sichten und sichern mußte. Er tat das durch methodische, wissenschaftliche Archivarbeit, bei der es ihm wiederum gelang, eine Fälschung zu entlarven.
Für eine mögliche Vergleichung des Cusanus mit Valla kommt es gewiß darauf an, ob denn der Kirchenmann mit dem Kirchenkritiker auch in der Sprachkompetenz vergleichbar war. Es muß sofort festgestellt werden, daß Cusanus sein Latein nicht an klassischen Vorbildern orientierte, wie Valla das propagierte. Aber er ist sich dessen sehr bewußt und verbalisiert es. Ausgerechnet im Vorwort zur Concordantia catholica bringt Cusanus seine Entschuldigung vor, klassischen Stil zugunsten der Sache aufzugeben: Aber wir sollten das nicht negativ sondern als Verstärkung lesen, denn es ist selbst ein klassischer Topos, der später von Giovanni Pico und anderen verwendet wird: die Sache verlangt eine grobe, eine fachliche, eine schmucklose Sprache. Es ist ein Topos, der Bewußtsein vom Sprachstil voraussetzt. Und um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, daß er den Humanismus sehr wohl kennt, preist der Deutsche die Italiener für ihre Bemühungen um guten Stil und das Studium der Klassiker und entschuldigt die Deutschen dafür, daß sie nur mit Mühe anständiges Latein reden (und das ist möglicherweise ein Echo einer boshaften Bemerkung des Humanisten Poggio Bracciolini). Aber sofort reklamiert er einen viel gewichtigeren humanistischen Anspruch, nämlich sich nicht auf irgendwelche Redaktionen und Zusammenfassungen zu verlassen, sondern die Originale und nichts als die Originaldokumente sprechen zu lassen.
Reden wir also noch mehr über Sprache
Lorenzo Valla analysiert bekanntlich menschliches Sprechen im Hinblick auf mögliche metaphysische Implikationen. In dem, was wir heute das semantische Dreieck nennen (Wort, Bedeutung, Sachverhalt), nennt er die Bezeichnung eine Qualität, wobei die Wörter als Zeichen für die Sache stehen. Während das Ohr den Klang hört, nimmt die Seele die Bedeutung auf, indem beide Wörter wahrnehmen. Daraus folgt überraschenderweise, daß so wie Holz "Holz" heißt, so haben unkörperliche Dinge auch Namen, also Wissenschaft heißt "Wissenschaft", und ganz allgemein ein Ding heißt "Ding". Wenn aber 'Ding' nichts als Ding bezeichnet, dann ist das "Ding" die Vokabel für das Wort, das alle Dinge als Dinge bezeichnet: "res est vox sive vocabulum, omnium vocabulorum sginificationes suas complectens." Genauer, 'Ding' ist das Wort für die Leistung von Wörtern, Sachen zu bezeichnen. Insofern übersteigt 'Ding' noch die Signifikationsleistung des Wortes 'Zeichen'. Wenn dieses Wort aber alle Dinge bezeichnet, dann auch Gott als ein Ding unter vielen anderen. In scholastischer Terminologie: res ist das einzige Transzendentale. Hier macht Valla einen Unterschied zwischen der Funktionsweise und dem Gehalt: Wörter wie spiritus, substantia, essentia – und erst recht res – übersteigen nämlich das Wort Deus, insofern sie ein weiteres Bedeutungsspektrum haben. In Gott haben wir also den Sonderfall, daß das Wort ein einzelnes Ding bezeichnet, das inhaltlich alle Dinge transzendiert. Grundsätzlich gilt, daß Wörter Dinge bezeichnen können, die wiederum an und für sich universal sind. "Gott" ist dann das Wort, das ein Universales bezeichnet nicht aufgrund einer semantischen Hierarchie, sondern weil es das Ding ist, das alle anderen Dinge transzendiert. Gott ist damit nicht transzendental sondern wirklich transzendent. Die Universalität von 'Ding' liegt also in seiner Bezeichnungsfunktion, während die semantische Kraft der menschlichen Sprache auch auf Dinge verweisen kann, die an sich universal sind. Daraus folgt die Mahnung zur Vorsicht, semantische Universalität nicht mit inhaltlicher Universalität zu verwechseln. 'Gott' ist einerseits kein Abstraktes, andererseits verweist das Wort nicht auf Dinge, sondern auf Gott. Darauf kommt es nämlich Valla an, die terminologischen Irrtümer des scholastischen Aristotelismus rückgängig zu machen und die Leser zum wahren Theologisieren zu bringen. Was den Gottesbegriff im Einzelnen angeht, so argumentiert er, daß Sätze wie "Gott ist ein vollkommenes ewiges Lebewesen (zoon)," unsinnig sind, weil Lebewesen als körperlich definiert sind.
Es ist unübersehbar, daß Vallas Sprachkritik in eine kritische philosophische Theologie überführt, und das hat er mit Cusanus gemeinsam. Aertsen (561) verweist auf eine Notiz zu Plotin: unum perfectivum et salvativum; das wirklich transzendentale ist Vervollkommnung und Heil von allem. Wahrscheinlich ist es am plausibelsten, die Vergleichbarkeit an Cusanus’ Bezeichnungstheorie im Compendium zu zeigen. Auf den ersten Eindruck hin könnte man meinen, Cusanus’ Theorie sei eine gewöhnliche Abstraktionslehre, etwa wenn er sagt, es müßten „die Dinge, die durch sich selbst nicht in die Erkenntnis eines anderen eingehen können, in diese durch ihre Bezeichnungen eingehen.“ (IV 8) In demselben Sinne könnte man, wenn man wollte, auch die These verstehen, daß die „natürlichen Zeichen (...) die Erkenntnisbilder (species) der bezeichneten Einzeldinge“ sind (V 14). Tatsächlich aber ist es klar, wie auch in anderen Texten des Cusanus, daß er die aristotelisch-scholastischen Erwartungen terminologisch bedient und dann durchbricht. Das wird z.B. im Kapitel IV, n. 10, klar wo es heißt, daß „nur der Mensch nach dem Zeichen sucht, das von jeder materiellen Konnotation losgelöst und rein formal ist und die reine Form des Dings, die ihm das Sein gibt, repräsentiert.“ Wenn Cusanus dann noch hinzufügt, daß ein Zeichen in dieser Verwendungsweise in dem Maße von den Sinnesobjekten entfernt ist, in dem es den Intellektdingen am allernächsten ist (ebd.), dann gibt er zu erkennen, daß er in neuplatonischen Kategorien der Emanation und der Hierarchie denkt oder wiederum diese Art von Erwartungen bedient.
Aber wir können die Zeichentheorie, statt auf neuplatonisches Emanationsdenken, auch auf Vallas Semiotik beziehen. Denn diese Formel, daß es Zeichen geben soll, die an sich immateriell sind und daher in der Lage sind, das zu vertreten, das dem seienden das Sein gibt, diese Formel würde Valla für das Wort Gott haben gelten lassen: es ist immateriell, nicht weil es aristotelisch ‚allgemein’ ist, sondern weil der Begriff für das Seingeben schlechthin ist.
Wiederum aristotelisch beschreibt Cusanus das quantitative Verstehen von Sinnesdingen: Es ist das Zeichen ‚Quantität’, welches ein quantitativ bestimmtes Objekt quantitativ erkennbar macht und zwar so, daß das Objekt in seiner Quantität nicht erkennbar wäre, wenn es den Begriff der Quantität nicht gäbe; dann aber wird nicht das Objekt selbst erkannt, sondern seine quantitative Bestimmung leuchtet nur mittels des Quantitäts-Zeichens ein. Also erkennt man und erkennt nicht. Hier ist Aristoteles wieder hilfreich: Die sinnliche Erkenntnis eines quantitativen Sinnesdings ist eine Erkenntnis per accidens.
Mit Blick auf Valla sehen wir schon, daß auch Cusanus sich dafür einsetzt, der sprachlichen Verfaßtheit der Erkenntnis keinen naiven und automatischen ontologischen Status zuzuweisen. Das wird radikal klar, wenn er sagt, daß Maulwürfe kein Sehvermögen brauchen, und sie als Beispiel dafür nimmt, daß „alle Lebewesen genau so viele species aus den Sinnesobjekten ableiten, wie sie zur Selbsterhaltung benötigen.“ (VI 16) In diesem Sinne gelangt Cusanus zu einer rein sprachtheoretischen Epistemologie: „Es ist das sinnliche Wort, das sich selbst und alles Sinnliche herstellt.“ (VII 19) Von dort treibt Cusanus das Argument weiter und behauptet, daß es der Geist ist, der das Wort formt, und zwar um sich selbst manifest zu machen, und in diesem Sinne stellt sich das Wort nicht nur als Repräsentanten des Dinges dar sondern auch als Zeichen für den Geist. (VII 20) Hierauf folgt dann der berühmte Kartographen-Vergleich. Diesen brauchen wir an dieser Stelle nicht (0der noch nicht) zu interpretieren, denn was klar wird ist, daß Cusanus mit Valla die sprachliche Verfaßtheit der Wirklichkeit hervorhebt, was enorme Folgen für die Metaphysik und die Auffassung von Realität hat. In demselben semiotischen Sinne koennen wir dann auch die Bestimmung des aliud in De non aliud lesen: aliud verweist auf ein aliquid, das eines philosophisch-theologischen non-aliud als nicht-semiotische Transzendenz bedarf.
Sehen wir uns zum Vergleich Vallas Bezeichnungstheorie an. Die Unterscheidung Substanz/Akzidens schafft er de facto ab, indem er behauptet, daß die Kategorien nicht wirklich kontingent sind, da ja, in seinem Beispiel, Wärme nicht vom Feuer abwesend sein kann und somit zum „Wesen“ des Feuers gehört (Retractatio I 13, p. 112f.). Bekanntlich reduziert Valla daher die Kategorien auf Qualität und Aktion. Dementsprechend reduziert sich auch das Zeichengeben auf Konvention, indem „die Menschen, wenn sie etwas erkennen die Laute anpaßten und in diesem Sinne ‚Zeichen’ nannten.“ Schriftzeichen sind in diesem Sinne „Zeichen von Zeichen“ (I 13, p. 123) Hieraus folgt die bereits erwähnte Diskussion um die res. Das Sein und das Bezeichnen einer Sache ist dasselbe. Oder: Ontologie ist ein Überziehen der sprachlichen Bezeichnung.
In diesem Lichte können wir nun auch den bekannten Vergleich mit dem Löffelschnitzer in Idiota de mente lesen – vielleicht nicht korrekt, aber im Sinne der Vergleichbarkeit. Valla hatte ja versucht, uns die Verwunderung zu nehmen, daß, z.B., Holz ‚Holz’ heißt. Er hatte betont, daß es sich um eine menschliche, arbiträre Zuschreibung handelt (ex institutione). Zunächst scheint der Idiota die aristotelische Formenlehre anzuwenden: das Artefakt existiert als Form zunächst im Sinn des Herstellers; also der Löffel kommt zustande, indem die Form des Löffels auf des Holz übertragen wird. Aber, da wir bei Cusanus immer ganz genau lesen dürfen, können wir den Satz: „Coclear extra mentis nostrae ideam aliud non habet exemplar“ – anstatt ihn aristotelisch abzunicken, wie eben angedeutet – auch so lesen: das einzige Paradigma des Löffels ist die Idee im Geiste des Schnitzers, denn eine andere Idee außerhalb davon gibt es nicht. Das ist eine starke Behauptung, die nach Transzendentalphilosophie klingt. Zudem behauptet der Idiota weiterhin, daß die „Löffelheit“ in dem Holzlöffel wie in einem Abbild aufstrahlt. Das kann man so verstehen, daß die sichtbare Wirklichkeit nichts anderes ist als die Visualisierung des Gedankens, und der erfaßt sie nicht sondern stellt sie her. Während Cusanus betont, daß in der Tat der Name willkürlich (ad beneplacitum) gegeben wird, stellt er zugleich fest, daß dann aber Form und Name vereint sind und nicht etwa zweierlei wären. Die traditionelle Lehre, wonach nichts im Verstand ist, das nicht zuvor in den Sinnen war, wird zwar zitiert, aber gegen den Strich der Empiristen: Es ist der Verstand, eine Bewegung des Verstandes, wodurch die Dinge geordnet und unterschieden werden. Und wenn wir gerade beim transzendentalen Idealismus angekommen zu sein glauben, fügt der Idiota hinzu: Da – wie eingangs betont – die Idee der Sache nicht außerhalb des Verstandes zu finden ist, verfällt der Mensch aufs Ausdenken von Vermutungen und Meinungen.
Das ist ganz parallel zu Vallas Kritik der Transzendentalien: Insofern 'Ding' die universellste Bezeichnungsleistung erbringt, ist es auch das einzige Transzendentale, und es ist geeignet das Seiende zu entthronen. Denn ens sagt nichts anderes als: "ea res quae est". Sein grammatisches Argument ist, daß im Griechischen das Wort "on" ein deklinierbares Partizip ist, dem Aristoteles unsachgemäß den Artikel "to" vorangestellt hat, so daß es wie ein Nomen aussieht. Die Bedeutung der Sache "Seiend" erhellt nur aus dem Verb. Mit anderen Worten, in der peripatetischen Philosophie ist das Wort "Seiend" hypostasiert worden: "Das hat Aristoteles noch dadurch verschlimmert, daß er 'to on ê on', 'ens prout ens' sagte, als ob das was ist nicht sein könnte. Das zweite ens ist nämlich ein Partizip." Daraus folgt, daß das Bezeichnen eine Leistung des Aufzeigens ist, aber nicht des Zeigen eines ontologischen Sachverhaltes sondern nur der Bezeichnungsleistung, und die liegt in der Sprache der Sprechenden.
Aus Vallas Sprachkritik folgt eine Kritik der Metaphysik und der philosophischen Theologie, die wir mit Cusanus vergleichen können. Vallas Unterscheidung zwischen der Allgemeinheit der Bezeichnung und der Universalität der Sache führt ihn dazu, die Arbor Porphyriana abzulehnen, weil die Verallgemeinerung von Begriffen keine Steigerung der Allgemeinheit der Sache abgebildet, was sich für ihn in der Unsinnigkeit von Termini wie species specialissima und genus generalissimum zeigt: Genus und Spezies sind prinzipielle Bezeichnungen oder Argumentations-Topoi, aber keine steigerungsfähigen Sachverhalte, was sich schon mittels analoger Begriffsbildungen als abwegig zeigen läßt wie forma formalis oder corpus corporale: "Was in der Grundform unsinnig ist, wird im Superlativ völlig absurd." Daher fordert er, daß die erste Unterscheidung nicht negativ sein darf (corpus / non-corpus) sondern positiv sein muß: nämlich corpus vs. spiritus sive anima. An der Spitze des Baums stehen dementsprechend weder Substanz noch Seiendes sondern res, das Ding, das wie gesagt das einzige Transzendentale ist, aufgrund seiner Allgemeinheit. Daraus folgt dann, daß das geistige ‚Ding’ in creans und creatum unterschieden werden kann. Weder Gott noch die Schöpfung sind negativ definiert, wie das die meisten philosophischen Theologien tun würden. Denn Gott ist nicht nur apophatisch als der Nicht-Träger aller virtuellen Attribute verstanden, wie das in der negativen Theologie gelehrt wird, noch ist die Welt der Abfall von Gott, das ungöttliche Zeug, von dem man sich wundern muß, daß der Allmächtige davon weiß und sich damit befaßt, wie es dem neuplatonischen Denkmuster entspricht. Vielmehr ist Gott der Referent der Bezeichnungsleistung ‚geisthaft’, und dieser Referent kann wiederum nach seiner Leistung als aktiv oder auch passiv denotiert werden. Damit ist keine theologische Festlegung erbracht, sondern nur aufgezeigt, wie die Sprache des Menschen redet.
Grundvoraussetzung dieser Behauptungen ist die Annahme, daß species und genus semantisch sich wie Teil und Ganzes verhalten. Die ‚unteren’ Zweige des Baums bezeichnen daher nicht species sondern Teile von res. Das führt zu folgender überraschenden Konsequenz: Der Mensch, als beseelter Körper ist nicht etwa eine species, sondern ein Bastard aus Körper und Geist. Die Alternative wär, daß Geist oder Seele keine Substanz ist, sondern nur eine Funktion des Körpers, so daß getrost auch gesagt werden kann, daß Bäume und Pflanzen Seelen haben. Das ist, wie Valla feststellt und wir im Blick auf die gegenwärtige sogenannte Philosophie des Geistes bestätigen können, immer wieder versucht worden. Aber wenn wir daran festhalten wollen, daß sowohl die Seele eine Substanz ist und daß der Mensch aus beiden besteht, dann ist der Mensch eine Anomalie. Und das ist gut so. Es ist wie eine Mischung aus schwarzen und weißen Schafen. Den Menschen als semiotische Anomalie zu verstehen, hat eine weitere Konsequenz: Wenn etwas, das wahr ist als semiotisch undeutlich und insofern positiv bezeichnet werden kann, dann gilt das a fortiori auch für Christus, der wiederum nicht in das Distributionsschema Mensch/Gott paßt: „Itaque id per se distribuemus in humanum et non humanum. Christum excipio ab animali, qui non est homo tantum, sed etiam Deus est.“
Es sei noch einmal betont, daß es Valla nicht um eine Ontologie, nicht einmal um eine sprachtheoretisch untermauerte Metaphysik geht, sondern darum zu zeigen, daß es die Sprache ist, die Seinshierarchien aufbaut und kraft dieser Leistung auch erschüttert. Mit Valla wissen wir nichts über die Doppelnatur des Menschen und schon gar nichts über die Inkarnation. Aber wir wissen, daß wir sprachlich Ontologien aufbauen, die sich der außersprachlichen Kontrolle, und das heißt überhaupt der Verifikation entziehen. Und hierin geht er mit Cusanus konform. Hätten Vallas und Cusanus’ Lehrer die Arbor Porphyrii als bloßes semiotisches Spiel gelehrt, so wie Sokrates im Sophistes die Dichotomien einführt, um sich darüber lustig zu machen (d.h. die Dichotomien die beim Schema von Genus und Differenz im Hintergrund stehen, und die dann im 16. Jahrhundert Petrus Ramus wieder einführt) – also hätten die mittelalterlichen Rezipienten des Porphyrius den Baum nicht für Erkenntnis sondern für ein Instrument gehalten, hätten Valla und Cusanus damit kein Problem gehabt. Da der Baum aber immer als die objektive Partition des Seienden und als ontologische Hierarchie von oben nach unten verstanden wurde, mußten beide zeigen, worin die Erkenntnisleistung von genus und species wirklich liegt.
In Kapitel III von De coniecturis II befaßt Cusanus sich mit dem Problem der Differenz im Gedankenbereich dessen, was die Arbor Porphyriana abgesteckt hatte. Anstatt davon zu sprechen, was denn ein genus und was eine species sei, legt der Autor den Akzent auf die Differenz als Differenz. Das Allgemeine, also das, was im je höheren genus erfaßt würde, taucht hier als concordantia auf, und die höheren Zweige auf dem Baum sind jetzt die major concordantia des einen sinnlichen Objekts mit einem anderen. Die scholastische species specialissima, als das, was einmal das Individuum war, verwandelt sich dadurch in „allerspezifischste Differenz“, nämlich in äußerste Unterschiedenheit des einen vom anderen. Das wär scholastisch durchaus akzeptabel als Eigenheit des Individuums am Fuße des Baumes. Dementsprechend wird das genus generalissimum zur „allgemeinsten Konkordanz“ der Dinge.
Omne igitur sensibile cum omni sensibili quandam habet universalissimam concordantiam et specialissimam differentiam.
Denn traditionell kann ja alles und jedes unter das genus subsumiert werden. In diesem Sinne ist alles geeint und vereint. Allerdings nicht unter einem Baum mit metaphysischer Spitze und sinnlichen Wurzeln, sondern im Begriffsschema von Konkordanz und Differenz. Die Individualität des Einzelnen ist in diesem Schema die „allerspezifischste Einsheit“ (unio specialissima). Das klingt irgendwie philosophisch vertraut, zumal die Universalität von allem als die Einheit bezeichnet wird, die in einer „universalen Natur besteht, die allen gemeinsam ist“. Trotzdem sollten wir ontologisch recht frustriert sein, denn so heißt es weiter: „alles sinnlich wahrnehmbare, d.h. dieses etwas, das einzeln existiert, insofern es mit allem und jedem übereinstimmt, ist von allem und nichts verschieden.“ Hier wie überall bedient Cusanus traditionelle Terminologie, um ihre metaphysischen Ansprüche auszuhebeln. Denn was aus der Konkordanz und Differenz von allem und jedem herauskommt, ist, daß weder das Einzelne noch das Allgemeine wirklich und genau erkannt wird. Es wird irgendwie semantisch abgeschätzt. Und das ist dann dasselbe Ergebnis, das Valla erreichte, als er nicht das Seiende sondern das Ding zum Transzendentale erklärte. Universaler Gegenstand der Erkenntnis ist der mehr oder weniger allgemeine Bezugspunkt des Bezeichnens.
Im Hintergrund steht die grundsätzliche Lehre, die beide Philosophen gemeinsam haben, daß das wirklich Transzendente, also das, was die ontologische Absicherung aller Transzendentalien wäre beziehungsweise leisten würde, dem menschlichen Denken nicht zur Verfügung steht. Gott ist der, der allen Dingen das Sein gibt, aber sobald der Mensch versucht davon zu sprechen, macht er Gott zu einem Ding. Verdinglichung ist dann das beste, was der menschliche Geist dank der Sprache leisten kann.
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